Kaum war das „Denkmal für die ermordeten Juden Ihrhoves“ eingeweiht, da rief am folgenden Montag der Vorstandsvorsitzende der Volksbank Westrhauderfehn, Herr Lott, an und fragte, ob ich Zeit, Lust und Kapazitäten hätte, einen 60 Meter langen Bauzaun zu gestalten, das heißt im Klartext: zu bemalen.
„Gut“, dachte ich, „das ist ja das definitive Kontrastprogramm zu dem Denkmal, meine Restenergie sinkt asymptotisch gegen Null, aber: 60 Meter sind eine Herausforderung.“ Und Herrn Lott zuliebe: „Prima Aufgabe, in ein paar Monaten lässt sich das gut machen.“
Zu meiner Überraschung erfuhr ich am folgenden Tag, als ich mit dem Co-Investor die Arbeitsbedingungen abgesprochen hatte, dass die Arbeit so zeitnah wie möglich fertig gestellt sein sollte.
Masochistischen Regungen folgend habe ich dann auch den Auftrag in zwei Wochen erledigt; reine Arbeitszeit, gleich Malzeit: 70 Stunden.
Wenn man vormittags, nachmittags, auch in den Abendstunden an einem Projekt arbeitet, nicht nach rechts, nicht nach links blickt, dann kann es sein, dass sich der eigene Geist nicht verwirrt, wohl aber auf merkwürdige Seitenpfade begibt.
So bat ich in der Endphase der Malerei, so bei Meter 45, meinen Freund Lutz Weiß, den Fotografen, eine Fotoserie über meine Arbeit am Bild aufzunehmen, dabei alle vorhandenen Bildtafeln zu dokumentieren.
Von dem Produkt meiner Arbeit war ich wohl so „bezuckert“, dass ich nicht bemerkt hatte, dass andere Menschen meine Arbeit durchaus anders beurteilen können.
Mein Freund, der Fotograf, legte mir nachdrücklich ans Herz, dies Malprojekt nicht überzubewerten. Bauzaun bleibt Bauzaun!
So habe ich meinen Gedanken, dies Malprojekt in eine kleine Druckversion einfließen zu lassen, erst einmal zurückgestellt.
In der ehemaligen Sowjetunion hätte ich vermutlich einen Plastik- oder Blechorden bekommen, als Bestarbeiter, Subbotnik, einer, der den Plan zu dreitausendsiebenhundert Prozent übererfüllt hat.
Meinen stereotypen Scherz, Michelangelo habe für seine Bemalung der Sixtinischen Kapelle ein paar Jahre Zeit gehabt, habe ich irgendwann aufgegeben. Selbstverständlich will ich mich mit dem größten aller Meister nicht vergleichen, ist doch klar.
Aber die SU existiert nicht mehr, Michelangelos Meisterwerk wurde von Folgepäpsten entschärft, dann von einem japanischen Elektronikkonzern der medialen Öffentlichkeit zugeführt.
So habe ich in zwei Wochen eine Arbeit abgeliefert, der Ostwind, der selten von vorne bläst, der Westwind, der häufig von hinten bläst, wird sein Urteil abgeben, ob die Lücken im Bretterzaun nicht aussagekräftiger sind als die bemalten Latten davor.