Predigt über das Taufbecken in der Lutherkirche Leer
Christa Olearius am 21. Oktober 2018
1. Hinführung und Bibeltext
Liebe Gemeinde, kennen Sie den Begriff Filterblase? Viele kleine Blasen ohne Zusammenhang. Jede in sich abgeschlossen: So beschreibt man zu Zeit unsere Gesellschaft. Jeder lebt in seiner Welt, erhält gefilterte Informationen. Das geschieht vor allem durch das Internet. Durch Berechnungen, Algorithmen, die mir immer genau das präsentieren, was meinem Weltbild entspricht. Und auch wenn nicht alle von uns sich nur im Internet aufhalten, so nehmen wir doch in der Gesellschaft eine Radikalisierung wahr. Der Ton ist rauher geworden. Filterblasen.. das mag dem einzelnen Sicherheit geben, aber eben nur in Abgrenzung . Ohne wirklich andere Meinungen zu hören und wahrzunehmen. Kann so auf Dauer überhaupt ein Zusammenleben möglich sein?Auch ich lebe vermutlich in einer solchen filterblase. Aber ich bin gleichzeitig verwurzelt in der weltweiten Gemeinschaft der getauften Christen. Hört noch einmal die Worte aus dem Taufauftrag:
Lesung von Matthäus 28, 18-20
Durch die Taufe bin ich verbunden mit Menschen über Ländergrenzen hinweg. Und ja, wie anders ist das gelebte Christsein in Afrika, in Russland oder Südamerika und dennoch stellt die Taufe mich in eine große Familie: Die Familie Gottes. Durch die Zeiten hindurch sind wir untereinander verbunden durch Jesus Christus. Und mit ihm verbunden: Er selber sagt: „Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
2. Geschichte der Taufe
Das Wasser der Taufe ist ein starkes bild. Wasser besteht aus lauter kleinen Tropfen. Tropfen stehen nicht für sich selber wie eben diese Filterblasen. Sondern tropfen vermischen und vermengen sich und bilden dann zusammen eine Einheit. Ein weitaus besseres Bild für menschliches Zusammenleben als das Bild der Filterblasen, das die Unterschiede zementiert.Wasser entspringt in Quellen, sammelt sich in Bächen und Flüssen und in Meeren. Die ersten Christen tauften in Flüssen. Von Jesus wird berichtet, dass er im Jordan getauft wurde. Als man in den ersten Jahrhunderten anfing Versammlungsorte, also Kirche zu bauen, brauchte man auch Orte um zu taufen.
Die ältesten Taufbecken findet man in Rom. Die Baptisterien: achteckige Gebäude neben den eigentlichen Kirchen. In anderen alten Kirchen ist oft im Eingangsbereich ein Taufbecken zu finden. Denn als Ungetaufte durfte man nicht die Kirche betreten. Mittlerweile stehen die Taufbecken wieder mehr im Zentrum einer Kirche. Denn wir sagen: Wir taufen in die Gemeinschaft der Christen hinein. Paula-Marie: Du gehörst jetzt dazu.
Über Konfessionsgrenzen hinweg-auch heute sind wir hier als Katholiken, Orthodoxe, Lutheraner und Reformierte versammelt und bilden in diesen Momenten die Gemeinschaft der Heiligen ab – wie wir es in den Worten des Glaubensbekenntnisses aussprechen. Christsein ist ohne Gemeinde nicht vorstellbar. Und so steht auch hier in der Lutherkirche das Taufbecken im Zentrum.
3. Das Taufbecken in der Lutherkirche
Zunächst irritiert es. Ein ganz anderer Stil. Gefertigt aus Bentheimer Sandstein- heute ganz besonders ein Hinweis der Verbundenheit auf die lutherischen Christen, die aus der Grafschaft Bentheim angereist sind. Der Leeraner Künstler Gerd Christmann hatte sich angeboten für die Lutherkirche einen neuen Taufstein zu fertigen. Der alte Taufstein- wir finden im Eingangsbereich war an verschiedenen Stellen beschädigt. Als Gips-Replik konnte man ihn nur schwer reparieren. Und die Idee kam auf etwas ganz Neues zu schaffen. Das Besonders: das Kunstwerk entstand vor den Augen der Öffentlichkeit – hier vor der Lutherkirche. „Eine der schönsten Arbeiten, die man sich vorstellen kann, haben Sie, lieber Herr Christmann damals gesagt. Damals das war 2016. Und im März 2016 –nach über 100 Stunden Arbeit wurde der Taufstein eingeweiht. Gleich mit vier Taufen. Unter anderem auch ihre Enkeltochter.Lasst uns auf den Taufstein blicken: denn er erzählt von unserem Glauben. Ganz besonders von der Gemeinschaft, die wir im Glauben erfahren dürfen: Der Sockel des Steines sieht aus wie ein Kirchenschiff. Hier versammelt sich immer wieder die Gemeinde, um Dank und Lob, Klage und Bitte vor Gott zu bringen. Mit Gesang und Orgel, mit Gebet und Lesung.
Darüber das eigentliche Taufbecken: Auch hier ein Hinweis auf die weltweite Gemeinschaft der Christen. Dieses hat die Form von 4 Blütenblättern, die an die 4 Flüsse Eufrat, Tiges, Gihon und Pischon, die im 1. Buch Mose beschrieben werden, erinnern sollen. Christen aus allen Himmelsrichtungen sind miteinander durch das band der Taufe verbunden. Für die Täuflinge sollen Ströme lebendigen Wasser fließen. Viele kleine Tropfen kommen zusammen bilden ein großes Ganzes.
Christsein: das soll erfrischen, erquicken, neue Lebenskraft geben. So wie Wasser erfrischt und Durst löscht, reinigt und einen wieder aufleben lässt. Was gibt es besseres als sich an seine eigene Taufe erinnern zu lassen. Martin Luther hat sich das in den dunklen Zeiten des Lebens immer wieder verdeutlicht: ich bin getauft. Ich bin angenommen. Habe einen Auftrag in diesem Leben. Mein Leben ist nicht sinnlos. Sondern ich werde getragen durch das Leben- und durch den Tod hindurch. In neues Leben. Noch etwas: Die silberne Taufschale aus dem früheren Taufstein passt genau in die Mitte des Blütenblattes.
Das heißt: Wir müssen die alten Geschichten unserer Glaubensvorfahren immer wieder neu übersetzen, die alten Worte neu zum Klingen bringen in unseren herzen und Köpfen. Denn Glaube heißt immer auch Verbindung: Verbindung zwischen Tradition und dem Heute, Verbindung zwischen Mensch und Mensch, Verbindung zwischen Gott und Mensch.Möge ihr als Eltern und Paten eurem Kind Paula-Marie diesen Halt im Leben vermitteln und mögen wir alle aus der Kraft des Glaubens und als Gottes Kinder das Leben hier gestalten, für den Frieden einzutreten und die Schöpfung zu bewahren. Das ist unser Auftrag. Und alles geschieht unter der Zusage Jesu Christi: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. Amen